In einem Kellerverschlag eines Mehrfamilienhauses wurde ein in mehreren Tüten verpackter menschlicher Körper gefunden. Einsatz für Kriminaloberkommissar Maikel Stiefel (30), Kriminalhauptkommissar Andreas Nick (47) und den Regierungsbeschäftigten Oliver Schnitzke (44). Am Tatort wurde das dunkelbraune Sofa in der Wohnung des Opfers zur großen Herausforderung. Mögliche Blutspuren waren nur schwer mit dem Auge zu erkennen. Allerdings hätte der Einsatz der chemischen Substanz Luminol möglicherweise wichtige DNA-Spuren zerstören können. Darin waren sich die drei Kriminaltechniker einig. Mit einer Infrarotkamera hingegen hätte man die Blutspuren ohne Probleme dokumentieren können. Ein Zustand, den die drei nicht länger hinnehmen wollten – auch im eigenen Interesse. So wurde diese gemeinsame Mordkommission 2017 zur Geburtsstunde von „KTvisio“.
Die drei Düsseldorfer haben die neuartige Infrarotkamera „KTvisio“ in ihrer Freizeit entwickelt. Aus marktüblichen Bauteilen und OpenSource-Software bauten sie ihre ersten Prototypen und produzierten sie sogar im hauseigenen 3D-Drucker selbst. Und wie so oft bei der Entwicklung neuer Technologien waren die ersten Versuche ernüchternd. Nach und nach fand sich aber immer eine Lösung und die drei technikbegeisterten Männer tüftelten weiter und wurden für ihre Mühen belohnt.
Vor allem an den 20. September 2018 erinnern sie sich noch sehr gut. Im Rahmen eines internationalen Seminars für Kriminaltechnik stellten sie ihre Infrarotkamera den Kollegen vor – und die Kamera bestand den Praxistest. Die durchweg positiven und konstruktiven Rückmeldungen bestätigten Stiefel, Nick und Schnitzke. Der lange Weg von der Idee zum Produkt bog auf die Zielgerade ein. Sie reichten ihre Entwicklung als Verbesserungsvorschlag für das Ideenmanagement NRW ein. Auch die Zentralstelle Kriminaltechnik im Landeskriminalamt war sofort überzeugt und bewertete „KTvisio“ als fachlich geeignete Infrarot-Spurenvisualisierung.
Gemeinsam mit dem LKA und dem „Sachgebiet Sonderentwicklung“ im LZPD ging man die technische Weiterentwicklung und Umsetzung an. Das Ergebnis: ein kleiner grauer Kasten, der an eine alte Polaroid-Kamera erinnert, aber viel mehr kann. Das handliche Gerät hat ein großes Display in der Mitte, wiegt gerade mal 900 Gramm und hat eine starke Akkuleistung. Ein weiterer Vorteil: Die Bedienung der Infrarotkamera ist kinderleicht. Mit dieser Kamera hatten die drei Tüftler ihre Lösung für die Spurensuche gefunden. Sie waren sich sicher: Davon könnte die gesamte Polizei in ihrer Ermittlungsarbeit profitieren. Die Kosten belaufen sich pro Kamera auf rund 1.000 Euro. Damit ist die Eigenentwicklung deutlich günstiger als andere Produkte auf dem Markt, die zwischen 12.000 und 35.000 Euro kosten und in der Handhabung längst nicht so tauglich für die Polizeiarbeit sind wie „KTvisio“.
Wer sind eigentlich die drei Düsseldorfer? Maikel Stiefel ist Sachverständiger für Schuh- und Reifenspuren sowie die Sichtbarmachung entfernter Prägezeichen. „Die Begeisterung für Technik entwickelte ich schon früh. So beschäftigte ich mich in der Jugend mit Modellbau und CAD-Konstruktionen. Speziell die 3D-Entwicklung fasziniert mich, sie eröffnet einem schier unbegrenzte Gestaltungs-, Konstruktions- und Visualisierungsmöglichkeiten“, beschreibt er seine Leidenschaft für alles Technische. Andreas Nick ist beim PP Düsseldorf ebenfalls Sachverständiger für Schuh- und Reifenspuren. „Ich habe mich schon lange für eigene Lösungen technischer Probleme interessiert“, sagt er. Das begann beim Modellbau und wurde bei der Reparatur von Motorrädern fortgesetzt. Nick zu seinem Job: „Die gesamte Arbeit in der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle ist vom Erlernen neuer Untersuchungstechniken und dem Anpassen von bekannten Techniken an neue Sachverhalte geprägt.“ Oliver Schnitzke ist beim LKA. Im Alter von sechs Jahren bekam er einen C64-Computer geschenkt, seitdem lassen ihn Technik und IT nicht mehr los. „Diese Begeisterung ist geblieben und hört nicht auf, mich zu faszinieren.“
Jetzt also diese Kamera. Nach vier Jahren Entwicklungszeit – im Juni 2021 – war es so weit. Die ersten der insgesamt 100 „KTvisio“-Geräte wurden auf die Kriminaltechnischen Untersuchungsstellen verteilt. Somit ist die nordrhein-westfälische Polizei landesweit für die Spurensuche noch besser ausgestattet. Das Ende der Erfolgsgeschichte ist noch nicht in Sicht: Längst liegen Anfragen aus anderen Bundesländern für die Infrarotkameras vor.