Die Polizei NRW hat das Phänomen der Angriffe auf Geldautomaten als strategisches Schwerpunktthema festgelegt. Die Anzahl an Geldautomaten-Sprengungen in NRW ist seit einigen Jahren konstant hoch. Im Jahr 2022 kam es zu 182 Taten. Die Polizei schöpft alle Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung dieser Taten aus. Durch die Ermittlungskommission Heat des Landeskriminalamtes NRW, die Kreispolizeibehörden Nordrhein-Westfalens (KPB NRW) und durch die enge Kooperation mit den niederländischen Behörden, ist es zu einer Vielzahl an Ermittlungserfolgen gekommen. Seit dem Jahr 2015, in dem die EK Heat gegründet wurde, wurden insgesamt 202 Tatverdächtige festgenommen, 17 davon allein im laufenden Jahr 2023 (Stand: März 2023).
Professionell organisierte Tätergruppe mit sehr hoher krimineller Energie
Dass NRW das am stärksten betroffene Bundesland im Bereich der Sprengung von Geldautomaten ist, liegt unter anderem an der Grenznähe zu den Niederlanden und an der Vielzahl von Tatgelegenheiten (mehr als 10.000 Geldautomaten). Laut BKA werden circa 2/3 der Angriffe auf Geldautomaten durch niederländische Tätergruppierungen verübt. Aufgrund der Grenznähe und der Länge der nordrhein-westfälischen Grenze zu den Niederlanden, dürfte der Anteil in NRW eher höher sein. Die Kooperation mit den niederländischen Polizeibehörden wurde intensiviert. Es findet ein regelmäßiger und umfassender operativer sowie strategischer Austausch statt. Auf Initiative des Ministerium des Innern hin wurde zudem – mit den ebenfalls schwer betroffenen Ländern Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachen sowie mit der Bundespolizei – eine länderübergreifende Interessengemeinschaft gegründet.
Die niederländische Polizei schätzt den dortigen Täterkreis auf rund 500 bis 700 Personen. Es handelt sich um ein professionell vorgehendes, arbeitsteiliges Netzwerk. Die Begehungsformen der Taten werden angepasst und erlangtes Wissen innerhalb der gesamten Struktur schnell vermittelt. Die Täter sind überwiegend männlich, zwischen 18 und 35 Jahre alt. Sie sind oftmals sehr polizeierfahren, reagieren sensibel auf verdeckte polizeiliche Maßnahmen und passen sich sehr schnell an.
Extrem rücksichtsloses, gefährliches Fluchtverhalten
Nach der Tat flüchten die Kriminellen bevorzugt mit hochmotorisierten gestohlenen Fahrzeugen und zeigen ein extrem rücksichtsloses Fluchtverhalten. Der Zugriff auf diese Fahrzeuge erfolgt entweder legal, unter Nutzung von Mittelsmännern, über Autoverleihfirmen, oder illegal über Diebstähle. Die Beutesummen und Sachschäden, die durch diese Taten entstehen, liegen im Bereich von mehreren Millionen Euro. So belief sich der durch die Banken angegebene Sachschaden im Jahr 2022 auf 13.835.412 Euro.
Vermehrter Einsatz von Explosivstoffen
Während die Täter in den Jahren 2015 bis 2018 Geldautomaten fast ausschließlich mit Gas sprengten, stellt die Polizei seit 2019 vermehrt den Einsatz von Festsprengstoff fest. Im Jahr 2022 wurden bei circa 90 Prozent der Taten in NRW diese Explosivstoffe verwendet. Diese Vorgehensweise der Täter ist darauf zurückzuführen, dass nun nahezu alle Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen gegen Gasangriffe gesichert sind. Daher änderten die Täter ihren Modus Operandi.
Die hohe Sprengwirkung gefährdet Unbeteiligte und Einsatzkräfte. Außerdem führt sie zu enormen Beschädigungen an den betroffenen und an umliegenden Gebäuden. Die Spurensuche und -sicherung an den Tatorten erfolgt durch die „Kriminaltechnischen Untersuchungsstellen“ der 16 spezialisierten Polizeipräsidien. Um Risiken durch möglicherweise nicht umgesetzte Sprengstoffreste für Einsatzkräfte und unbeteiligte Dritte einschätzen und ggf. minimieren zu können, wird über den Lagedienst des LKA NRW regelmäßig die Tatortgruppe Sprengstoff/Brand, Entschärfer USBV eingebunden. Immer häufiger müssen zudem Feuerwehr und Statiker hinzugezogen werden, um zu beurteilen, ob für die betroffenen Gebäude Einsturzgefahren bestehen.
Erfolgreiche Ermittlungen der EK Heat und der Kreispolizeibehörden
Mit Einrichtung der EK Heat hat das LKA NRW Ende 2015 die landesweite Koordinierung von Ermittlungsmaßnahmen und die einheitliche Ermittlungsführung übernommen. Von Beginn an hat die EK Heat den Schwerpunkt auf das Erkennen und Zusammenstellen von Tatserien gelegt, um personenorientierte Ermittlungen in Zusammenarbeit mit den niederländischen Ermittlungsbehörden durchführen zu können. Mit Beteiligung der EK Heat und einzelner anlassbezogener Ermittlungskommissionen von Kreispolizeibehörden konnten seit 2015 insgesamt 202 Tatverdächtige (Stand: März 2023) in NRW und in den Niederlanden festgenommen werden.
Die EK Heat hat sich in NRW und über NRW hinaus als zentraler Ansprechpartner für das Kriminalitätsphänomen Geldautomaten-Sprengung etabliert. Die Ermittlungskommission prüft regelmäßig und fortlaufend die Wirksamkeit der Ermittlungsmethoden hinsichtlich ihrer Praktikabilität und Nutzbarkeit und justiert wenn nötig nach.
Sonderkommission BEGAS bildet den strategischen Kopf der Polizei NRW
Als Erfolgsfaktoren zur Bekämpfung des Phänomens zählen zudem der Austausch und das Mitwirken aller Beteiligten. Die zentrale Sonderkommission BEGAS (Bekämpfung und Ermittlung von Geldautomaten-Sprengungen) des Ministerium des Innern bildet für dieses Thema den strategischen Kopf der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Auf Basis der Erkenntnisse der SoKo BEGAS wurde unter anderem veranlasst, dass gemäß der durchgeführten Risikobewertung die als besonders gefährdet bewerteten Geldautomaten zu tatrelevanten Zeiten intensiv bestreift werden.
Prävention setzt auf die Sicherung der Geldautomaten und der Standorte
In Deutschland wurde erstmals 2005 in Köln ein Geldautomat durch Einleiten und Zünden explosiver Gasgemische gesprengt. Einen deutlichen Anstieg der Fälle verzeichnete NRW seit 2015. Seither gibt das LKA NRW Handlungsempfehlungen für Betreiber von Geldautomaten heraus. Zur weiteren Risikominimierung und Prävention steht die Polizei NRW regelmäßig im Austausch mit den Vertretern der Kreditinstitute, der Geldautomaten-Hersteller, der Werttransportunternehmen und mit anderen Verantwortungsträgern. Die empfohlenen Maßnahmen wurden aufgrund eigener Erkenntnisse und aufgrund des Informations- und Erfahrungsaustausches mit den Herstellern von Geldautomaten, den Herstellern von Sicherheitstechnik, Vertretern der Versicherungsbranche und der deutschen Kreditwirtschaft entwickelt.
Das Landeskriminalamt NRW passt diese Handlungsempfehlungen regelmäßig den veränderten Tatbegehungsweisen an. Neben Videoüberwachungen durch zentrale Sicherheitsleitstellen (24/7 Besetzung), wird den Betreibern von Geldautomaten der Einbau von automatisierten Nebelanlagen, bessere mechanische Sicherung der Zugangsmöglichkeiten, der Verschluss des Zugangsbereiches in den Hauptangriffszeiten, der Einsatz von Geldfärbemitteln und die Installation neuartiger Pavillons mit massiver Stahlbetonrundkonstruktion empfohlen. Zudem wird empfohlen, die verfügbare Bargeldmenge in den Automaten zu reduzieren. Die Umsetzung liegt im Zuständigkeitsbereich der Banken. Aus den vertrauensvollen regelmäßigen Gesprächen mit Vertretern der Kreditwirtschaft ist bekannt, dass einige Unternehmen in die empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen investiert haben, zum Teil mit einem erheblichen Finanzvolumen.