Polizeinotruf in dringenden Fällen: 110

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Im Streifenwagen
Polizeiarbeit mit der Gendarmerie National in Lacanau-Océan (Département Gironde) im Zeichen der Deutsch-Französischen Freundschaft
Ein Erfahrungsbericht aus Lacanau-Océan (Département Gironde) in Frankreich von Polizeikommissarin Jana Albers.
Polizei Dortmund

Kommunikation und gegenseitiges Verständnis sind wesentliche Faktoren, um Konflikte zu vermeiden. Das Jahr 2022 hat uns insbesondere mit dem Beginn des Ukraine-Konfliktes gezeigt, wie wichtig ein enger europäischer Zusammenhalt und Austausch ist. Dies, gepaart mit meiner Faszination für das Land Frankreich und meiner beruflichen Neugierde, führten dazu, dass ich mich im Februar 2022 für eine Verwendung im europäischen Ausland bewarb.

Nach einem Bewerbungsgespräch mit dem Referat 425 im Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalens bekam ich die Zusage, dass ich das Post Provisoire Lacanau-Océan (PPLO) in Südfrankreich für den Monat Juli unterstützen darf. Nach 13 Stunden Autofahrt und einer Fahrtstrecke von 1.200 km wurde ich von meinen französischen Kolleginnen und Kollegen in Lacanau-Océan, meinem Aufenthaltsort für die nächsten vier Wochen, begrüßt.

 

Einsatzort

Der Wachbereich des PPLO deckt die Küstenregion am Atlantik um die Städte Lacanau-Océan, Carcans-Plage und Le Moutchic ab. Die Leitstelle befindet sich in der 60 km entfernten Stadt Bordeaux. Diese ist für den gesamten Bereich der Region Gironde mit einer Einwohnerzahl von 1,6 Millionen Menschen zuständig, was flächentechnisch einem Drittel des Landes NRW entspricht.

Die langen Sandstrände, hohe Wellen und zwei große Seen laden zum Wassersport, wie Kite- oder Wellensurfen ein. Aus diesem Grund ist Lacanau-Océan im Sommer ein Magnet für deutschsprachige Touristen. Am Wochenende wird der Zustrom zusätzlich von den Einwohnern der Großstadt Bordeaux verstärkt. Die sonst rund 5.000 große Stadt wächst somit im Sommer auf 80.000 Personen an, sodass die ganzjährig zuständige Polizeiwache Lacanau durch die provisorische Wache in Lacanau-Océan ergänzt wird.

 

Arbeitsalltag

Meine Aufgabe im PPLO war es den deutschen Touristen in Notsituationen Hilfe zu leisten und als Übersetzerin für die französischen Kolleginnen und Kollegen zu fungieren. Die deutschen Touristen reagierten nach kurzer Verwunderung stets mit großer Dankbarkeit und Erleichterung auf meine Anwesenheit vor Ort. Auch habe ich die Gendarmen bei verschiedensten anderen Einsätzen begleitet, die mir aus meiner täglichen Arbeit im Wach- und Wechseldienst in Dortmund bekannt waren. Dazu gehörten Sachbeschädigungen, Einbrüche, Streitigkeiten, Köperverletzungsdelikte, Trunkenheitsfahrten, Ruhestörungen aber auch Vermissten- und Suizidlagen am Strand.

Neben der Einsatzbewältigung haben die Gendarmen im PPLO die Aufgabe gehabt, mit den örtlichen staatlichen Institutionen, den Gewerbetreibenden und den Touristen vor Ort Kontakt aufzunehmen und diesen zu pflegen. Hierzu gingen wir tagsüber entlang der Strandpromenade oder nachts durch das Kneipenviertel regelmäßig Fußstreife. Dabei fiel mir mehrfach der stets respektvolle Umgang zwischen Bevölkerung und Gendarmerie auf.

Zu den staatlichen Organisationen vor Ort zählten:

  • die Police National Serveteur (CRS), die für den Strand zuständig ist;
  • das Office National du Foret (ONF), die für den Wald und die Wilderei zuständig ist;
  • die Police Municipal (PM), die an die Stadt und Lacanau-Océan angegliedert ist.

Dies führte zu einer engen Zusammenarbeit und einer effektiven Präventionsarbeit, da man Probleme früh erkannte und gemeinsam angehen konnte.

 

Aufbau der Gendarmerie

Die Entstehung der Gendarmerie National lässt sich geschichtlich in die Zeit der Französischen Revolution im 18. Jahrhundert einordnen. Sie ist dem Verteidigungsministerium unterstellt und besteht neben der Police National. Es gibt verschiedene Laufbahnabschnitte für die Gendarmen aus denen verschiedene Eingriffsbefugnisse resultieren. Die Gendarmen durchlaufen ein Ausbildungsjahr, bestehend aus Schule und Praxis. Nach vier Jahren können sie sich bei einem Examen anmelden, um weitere Maßnahmen wie beispielsweise eine freiheitsentziehende Maßnahme durchführen zu dürfen. Sie erlangen damit den Grad eines Officier Policier Judicier (OPJ). Offiziere absolvieren ein Studium von fünf Jahren nach dem sie als Führungskräfte fungieren, die den Gendarmen übergestellt sind.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit als Reservist bei der Gendarmerie temporär angestellt zu werden. Die Reservisten haben eine Grundausbildung von wenigen Wochen durchlaufen und besitzen folglich nur begrenzte Eingriffsbefugnisse, tragen allerdings auch eine Schusswaffe. Sie sind immer einem OPJ unterstellt. Die Reservisten stammen dabei aus allen Gesellschaftsschichten. So konnte ich im Rahmen meiner Polizeiarbeit mit Lehrern, Zollbeamten, Handelskaufleuten, Weinhändlern und Künstlern in Kontakt kommen und einen Einblick in den Querschnitt der französischen Gesellschaft erhalten.

Die Einheit der mobilen Gendarmen ist vergleichbar mit unserer Hundertschaft. Sie ist für die Einsatzbewältigung bei Großveranstaltungen, Sportveranstaltungen, Versammlungen aber auch besondere Einsatzaufkommen, wie dem Tourismuszustrom zuständig und war demnach auch im PPLO eingesetzt. Auch diese Einheit wird zentral von Paris geleitet und koordiniert. Im Austausch mit der Mobilen Gendarmerie blieb mir besonders ihre Schilderung der zunehmenden Gewalt bei Versammlungen in den Großstädten wie Paris in Erinnerung. Ebenfalls erzählten die Kollegen von ihrem alljährlichen dreimonatigen Aufenthalt in den ehemaligen französischen Kolonien wie auf La Réunion oder Französisch-Guyana.

 

Zuständigkeiten

In den Landesteilen, in denen die Bevölkerungsdichte sehr gering ist, ist ausschließlich die Gendarmerie für die Vorgangsbearbeitung zuständig. Hierbei ist sie vom ersten Angriff über die Ermittlungen bis zur Übergabe an das Gericht für die Bearbeitung verantwortlich. Auch hier war es mir möglich, diese Arbeit beispielhaft bei der Festnehmen von niederländischen Tätern auf frischer Tat, über die Identitätsfeststellung, Zeugen- und Beschuldigtenvernehmung, Auswerten von Videoaufzeichnungen bis zur erkennungsdienstlichen Behandlung zu begleiten.

 

Unterbringung und französische Kultur und Gesellschaft

Da das PPLO nur im Sommer eingerichtet ist, wurden alle Mitarbeitenden für diese Zeit auf einem Campingplatz in Bungalows untergebracht. Die gemeinsame Unterbringung war für meine Kollegen nichts Ungewöhnliches, da sie auch sonst zusammen mit ihren Familien in kostenlos zur Verfügung gestellten Wohnungen auf den Kasernengeländen der Gendarmerie leben. Der Campingplatz beherbergte nicht nur die Gendarmen, Offiziere, Reservisten, PM und CRS, sondern auch das Personal von Bars, Surfschulen und Gastronomie, die für den Sommer verstärkt wurden. Durch diese Nähe entstand schnell ein Teamgefühl.

Kulinarisch lockt die Region mit Wein-, Käse- und Wurstspezialitäten. Diese wurden alltäglich zu den Mahlzeiten und wöchentlich im Rahmen von gemeinsamen „Barbecues“ genossen. Auch wenn vor Ort viele Gendarmen aus unterschiedlichen Regionen Frankreichs zusammentrafen, ergab sich schnell eine enge Gemeinschaft, in deren familiären Kreis ich direkt aufgenommen wurde. Dies ermöglichte auch außerhalb des Dienstes einen kulturellen und persönlichen Austausch.

 

Herausforderungen

Neben der Umgewöhnung an den französischen Polizeialltag, die Sprache und die Lebensbedingungen, wurde ich während meines Aufenthaltes mit außergewöhnlichen Einsatzanlässen konfrontiert. Hohe Temperaturen, Trockenheit und Wind führten zu starken Waldbränden in der Region. Während meines Aufenthaltes brachen drei Feuer im Bereich der Gironde aus. Die internationalen Medien berichteten hierüber umfangreich. Das größte Feuer brannte über den gesamten Monat und hat bisher eine Waldfläche von 21.000 Hektar zerstört. Hiervon war auch die Dune du Pilat betroffen - die größte Wanderdüne Europas und einer der größten Tourismusmagneten an der französischen Atlantikküste. Insgesamt wurden 36.000 Menschen evakuiert. Der Himmel war auch in Lacanau-Océan teilweise tagelang schwarz vom Rauch bedeckt.

Auch auf unserem Campingplatz wurden die evakuierten Touristen untergebracht. Grundsätzlich ist für die Waldregionen das OFN zuständig. Im Rahmen der Waldbrände gab es koordinierte Einsätze, in denen u.a. Wildcamper von uns evakuiert wurden. Zusätzlich wurde das Benutzen der Fahrradwege, Grillen und oder Rauchen in den gesperrten Waldgebieten konsequent mit hohen Geldbußen geahndet. Mit großer Betroffenheit verfolgten wir in diesen Tagen die Nachrichten über die Zerstörung der Heimat der Gendarmen.

 

Resümee

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich mich eines Tages als Teil der Gendarmerie im Streifenwagen in Frankreich wiederfinde und mit französischen Kollegen gemeinsam Einsätze wahrnehme. Dieser Aufenthalt hat nicht nur meinen beruflichen Horizont erweitert, sondern auch die deutsche Form der Polizeiarbeit ins Ausland getragen hat. Neben dem Vergleich von rechtlichen und technischen Unterschieden stach besonders hervor, dass die Ausstattung, die Ausbildung und das taktische Vorgehen der deutschen Polizei bei den Gendarmen hohes Ansehen genießt.

Immer noch überwältigt von den dienstlichen, aber auch von den persönlichen Erfahrungen, insbesondere der französischen Gastfreundschaft, bin ich sehr dankbar, dass mir das Referat 425 des Innenministeriums NRW und das Polizeipräsidium Dortmund diese Möglichkeit gegeben haben. Ein besonderer Dank gilt zudem den mir zugewiesenen französischen Kollegen Yoann Lancre und Hugo Predal. Diese gewährten mir auch in ihrer Freizeit Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Gendarmerie, wie der Fliegerstaffel, der Leitstelle (CORGE - Centre Operationnel Renseignement Gendarmerie), der Motorradstaffel, aber auch in Organisationen außerhalb der Gendarmerie, wie z. B. dem Gericht und der örtlichen Feuerwehr und sogar ihr Familienleben. Gefreut hat mich ihr besonderes Interesse an einem europäischen Austausch und der deutschen Polizei.

Enden will ich mit dem inoffiziellen Motto meiner Brigade: „Oublie qu´t´as aucun chance, vas-y fonce! - „Vergiss, dass du keine Chance hast, versuch es!“

 
Im Einsatz
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